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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Nachgeholt: Das Sonntagszitat 43/21

Nachdem wir ja gestern unterwegs waren – und demzufolge gestern nicht die Zeit war, mich mit einem Blogbeitrag zu beschäftigen , reiche ich das allfällige Sonntagszitat nun heute nach.

Dies mal wieder (wie schon so oft) ein Dialog aus dem Buch, das ich gerade lese – aus dem Zusammenhang gerissen und explizit ohne aktuellen Bezug zu meiner Person, auch wenn es durchaus ähnliche Situationen gibt, die mir aus eigenem Erleben in Erinnerung geblieben sind:

„Du weißt, Max, wozu ich verpflichtet bin.“ –
„Ja,“ sagte der Maler, “ ja, ich weiß, und damit du es genau weißt: es kotzt mich an, wenn ihr von Pflicht redet. Wenn ihr von Pflicht redet, müssen sich andere auf was gefaßt machen.“

aus „Deutschstunde: Roman“ von Siegfried Lenz

Denn schliesslich gab das in meinem Leben auch hin und wieder, dass Menschen sich mir oder anderen gegenüber auf ihre „Pflicht“ berufen haben, um bestimmte Dinge durchzusetzen, obwohl dies bei objektiver Betrachtungsweise weder angemessen noch moralisch oder ethisch vertretbar gewesen wäre.

Beispiele dafür gäbe es einige, z.B. ganz aktuell wieder bezogen auf ein Thema, zu dem ich im letzten Jahr schon einiges geschrieben hatte: Das Lager Morija auf Lesbos und die Frage des Umganges der Politik mit den Flüchtlingen, die nach dem Brand unter unmenschlichsten Bedingungen im Freien kampieren mussten – alleine gelassen von der Politik der Europäischen Gemeinschaft, die es als ihre „Pflicht“ ansah, diese Menschen nicht weiter nach Europa hinein zu lassen.

Stattdessen wurden auf Lesbos und anderen grieschischen Inseln neue Lager gebaut – moderner und besser ausgestattet zwar, aber nicht weniger unmenschlich als das, was vor dem Brand dort war.
Mit Stacheldraht drum herum und ausgeklügelter Überwachungstechnik, um die kleinsten Ansätze von Aufruhr direkt unterbinden zu können. Neuster Europäischer Standard halt.

(Menschenrechtsverletzung als Standard – wie kann das angehen?)

Aber dennoch ohne jegliche Perspektive für die Menschen, die nun dort wie Gefangene leben müssen, während an anderen Stellen inzwischen davon geredet wird, auf Kosten der EU Mauern und Stachldrahtverhaue aufzubauen, um die inzwischen weit nach Osten an die polnische-belarussische Grenze verschobenen Schlupflöcher für die Flüchtlingsströme ebenfalls abzudichten – oder aber ( noch schlimmer) mit illegalen Pushbacks verhindert wird, dass diese Menschen ihr Recht auf Asyl in Anspruch nehmen können, wenn sie es doch über die Grenze geschafft haben….

All das aus einem „Pflichtgefühl“ heraus, das bei genauerer Betrachtung nicht mehr als purer Egoismus und Machtgeilheit einzelner Politiker ist, die jeglichen humanistisch-christlichen Anspruch dafür mit Freuden über Bord werfen, obwohl der sogar in der Verfassung vieler EU-Lander verankert ist?

Aber woraus ergibt sich denn die Pflicht, sich so unmenschlich zu verhalten?
Aus dem politischen Willen der Mehrheit der EU-Bevölkerung doch wohl nicht. Denn da dürfte es wohl nur wenige geben, die angesichts ganz anderer Probleme, den milliardenschweren Bau von Internierungslagern und Grenzbefestigungen für gut heissen würden, während auf der anderen Seite Geld für soziale Belange, notwendige Investitionen und wirtschaftliche Stabilisierung fehlt und Arbeitskräfte in manchen Bereichen zur Mangelware geworden sind.

Aber so ist das wohl mit der Pflicht, wenn sie falsch verstanden wird….
Und es kotzt mich an.

-_-_-_-

Nachtrag 1:
hier ein paar Links zu Publikationen, auf die ich mich mit meinem oben geschriebenen beziehe:

-_-_-_-

Nachtrag 2:
Und ja, unser Ausflug gestern hat mir wirklich gut getan… :good:

Bleibt noch zu ergänzen, dass – sehr zu meiner Erleichterung – ein Teil der Medikamente heute telefonisch von meiner Rheuma-Praxis reduziert wurde und beim nächsten Termin in der Praxis entschieden wird, wie es in Zukunft damit weiter geht….
Nun heisst es also abwarten, ob sich in den nächsten Tagen was verbessert.


Habt einen schonen Tag und eine schöne Woche – und bleibt weiter gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:


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- 4 Bemerkungen zu “Nachgeholt: Das Sonntagszitat 43/21

  1. Das Zitat irritiert ja doch ein bisschen… der Maler-Nolde-war ja selber glühender Antisemit und Hitler-Verehrer.
    Wenn „Pflichterfüllung“ in bedingungslosen Gehorsam umschlägt, dann wird sie brandgefährlich.
    Ich erfülle auch meine Pflicht, wenn ich zur Arbeit gehe, meine arbeitsvertragliche Pflicht. Und wenn wir eine Ware bezahle, erfüllen wir eine Verpflichtung aus einem geschlossenen Kaufvertrag. Das Wort Pflicht ist also gar nicht mal so negativ besetzt.
    Im übrigen glaube ich nicht, dass Herr Seehofer und andere hier aus Pflichtgefühl handeln. Ihre Pflicht wäre es, die Menschenrechte zu wahren, die Flüchtlingskoventionen einzuhalten und besonders auch die Kinderrechte zu achten und zu schützen.
    Diese Unmenschlichkeit in der Flüchtlingspolitik ist wohl eher politischem Kalkül geschuldet, was es nicht besser macht, im Gegenteil

    Schön, dass Dir der Ausflug gut getan hat… so war es gedacht und dafür habe ich gerne etwas sanften Druck ausgeübt *knutsch*

    1. Wie gesagt, das Zitat ist aus dem Zusammenhang gerissen – und ich bin mir der Problematik bezogen auf Herrn Nolde auch wirklich bewusst.
      Die trifft allerdings zumindest im Roman so nicht zu, denn – soweit ich bis jetzt gelesen habe, erscheint der Maler dort eher in unpolitischem Licht und hat keine rassistischen Ressentiments

      Aber was Pflichten angeht, stimme ich weitgehend mit Deiner Sicht überein.
      Pflichten zu haben, verpflichtet zu sein, kann auch positiv gesehen werden – und sollte es eigentlich auch, wenn man dabei nicht moralisch-ethische Grenzen überschreitet.
      Wenn doch, (wenn also Pflicht als Druckmittel oder Alibi für amoralisches Handeln herhalten muss) dann wird es allerdings problematisch…..

      Um so mehr, je weiter man seine (vermeintliche) Pflicht über das eigene Gewissen stellt (oder es gar „abschaltet“, um der Pflicht Genüge zu tun).

  2. Da gibt es so ein paar Begriffe, die sehr schwammig sind und deswegen je nach Person und Situation in unterschiedlicher Bedeutung verwendet werden. Pflicht gehört meiner Meinung nach dazu. Und ja, oftmals werden solche Begriffe dann auch in manipulativer Absicht in einer bestimmten Bedeutung verwendet.

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