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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Ungute Gefühle

Nein, nicht wegen der Booster-Impfung, die jetzt ein paar Stunden hinter mir liegt, sondern wegen eines Zeremoniells, das überflüssiger nicht sein könnte:

Das Bild stammt tatsächlich von gestern, auch wenn man es in dieser bewusst entfärbten Version
wohl gute 75 Jahre früher verorten würde.

Der Grosse Zapfenstreich in Berlin vor dem Reichstag, mit dem gestern Abend alle Soldaten geehrt werden sollten, die in den letzten zwanzig Jahren in Afghanistan ihrem Dienst nachgegangen sind.

Und das, obwohl Bilder dieser Art nicht nur bei mir ungute Gefühle und Assotiationen an die dunklen Zeiten der Hitler-Diktatur hervorrufen, als Fackelzüge dieser Art Gang und Gäbe waren, um Siege zu feiern oder die eigene Macht zu demonstrieren.

Nur, dass es diesmal keinen Sieg zu feiern gab und auch sonst keinen Grund für derartiges Protzgehabe. Denn wir wissen ja alle, dass da einiges schief gelaufen ist in den zwanzig Jahren und beim fluchtartigen Abgang aus dem besetzten Land letzendlich nicht mal geschafft wurde, alle Bundesbürger zu evakuieren.
Geschweige denn die über zwanzigtausend Ortskräfte und ihre Familien, die sich zum Teil immer noch vor dem unmenschlichen System der Taliban verstecken und um Leib und Leben fürchten müssen, während es hier schon wieder aus der Rechten Ecke schallt, dass man keine Flüchtlinge aufnehmen möchte.
Auch die 175.000 Toten aus diesem Konflikt sollten eigentlich Anlass genug sein, die Fackeln aus und Helme und Stiefel im Schrank zu lassen – denn es ist wahrlich kein Ruhmesblatt, an dem deutsche Truppen am Hindokusch mitgewirkt haben….

Da hilft es auch wenig, dass der offizielle Kanal des Verteidigungsministeriums auf Twitter markige Worte verbreitet, obschon die eigentlich zutreffend sind:

Die Bundeswehr ist Parlamentsarmee. Als diese hat sie ihren Platz inmitten der Gesellschaft – bei besonderen Anlässen auch vor dem Reichstagsgebäude.

Twitter

Denn natürlich ist die Bundeswehr eine Parlaments-Armee, allerdings ist die Bildersprache zu dem Tweet voller Pathos und damit mehr als unglücklich gewählt ist (wer mag folge dem Link zu Twitter unter dem Zitat) und in weiten Teilen durchaus (auch im Ausland) geeignet, den Gedanken zu verfestigen, den ich am Anfang dieses Beitrages schon mal formuliert hatte….

Keine gute Idee also – auch wenn die Bundeswehr für unser Land sicherlich systemrelevant ist.
Aber das sind andere Berufsgruppen auch, und denen wird eine solche steuerfinanzierte und pathetische „Ehrung“ ja auch nicht zuteil:
Pflegekräfte beispielsweise, Verkäuferinnen, Lehrer, Kindergarten-Erzieher, LKW-Fahrer, Busfahrer uswusw. Was also soll es dann, um eine einzelne Berufsgruppe so ein Aufheben zu machen, die nur ihren „Job getan“ und damit letztendlich nichts anders gemacht hat, als auch es die anderen genannten Berufe tun, die dafür aber allenfalls mit Beifallklatschen belohnt werden?
Wenn überhaupt….

Also wäre da auch bezogen auf die Bundeswehr Mass halten angesagt gewesen – und nicht das Brimbamborium wie es gestern veranstaltet wurde…


Habt noch eine schöne restliche Woche und bleibt gesund und behütet.
Wir lesen uns :bye:


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- 9 Bemerkungen zu “Ungute Gefühle

  1. Ich glaube manchmal, Aufmärsche, Fackelzüge und all so ein Sch… gehören zu den deutschen Untugenden, auf die sie nicht verzichten wollen und können. ICH bräuchte so etwas auch nicht – aber die DDR war da ja ganz groß drin.
    Gut’s Nächtle!

    1. Ich glaube, verzichten könnten wir schon, wenn es denn gewollt wäre.
      Leider gibts dazu keine Zahlen, aber ich schätze mal, da könnte es durchaus eine Mehrheit geben, die solchen Trallafitti für weder zeitgemäss noch für angebracht halten.

      Besonders, weil Bilder wie die von vorgestern solche Assoziationen hervorrufen….

    1. Derartige Tweets habe ich reihenweise entdeckt.

      Interessant auch, was die internationale Presse dazu schreibt – mit dem Tenor, dass derartiges Zurschaustellen militärischer Macht nicht wirklich geeignet ist, unser Land in sympathischem Licht erscheinen zu lassen… weil es eben Erinnerungen an die dunkelsten Zeiten des letzten Jahrhunderts wieder aufleben lässt.

      Was mich jetzt auch nicht weiter erstaunt, denn genau so ging es mir ja auch.
      Wobei ich prinzipiell ja nicht mal was dagegen habe, dass der Einsatz der Bundeswehrsoldaten irgendwie gewürdigt wird.
      Aber eben nicht so….
      .

  2. Ich bin schon dafür, diesen Einsatz irgendwie zu würdigen, abzuschließen und offiziell zu kommentieren, aber bei blank geputzten Helmen, Mänteln, Stiefeln und Fackeln, drehen sich mir auch die Innereien um. Kann man das nicht anders machen??
    Alle Institutionen und Veranstaltungen sind gefordert mit der Zeit zu gehen, sich neu zu erfinden und sich dem Wandel zu stellen und die marschieren mit der Trommel im Kreis.

    1. Natürlich sollte auch der Einsatz der Bundeswehr gewürdigt werden – das ist für mich überhaupt keine Frage, auch wenn ich persönlich mehr als nur kleine Schwierigkeiten mit dieser Institution habe.

      Dabei sollte man aber als erstes mal das Wort „Tradition“ im Zusammenhang mit einer deutschen Armee ersatzlos streichen , welches von Seiten der Verteidiger diese Schisselawengs immer wieder angeführt wird – und als nächstes mal überdenken, wie man sich in der Öffentlichkeit auch anders darstellen kann, ohne Helme, Stiefel, Fackeln und Militärmärsche so in den Vordergrund zu stellen….
      Ansonsten landet man mit der „Tradition“ ganz schnell wieder da, wo die Armee zu Adolfs Zeiten schon mal war….

      Früher war mal die Rede von „Bürgern in Uniform“, die in der „Mitte der Gesellschaft ständen“.
      Aber das stimmt spätestens seit vorgestern so nicht mehr – scheint mir. Schon deshalb, weil das Parlament allenfalls die Kulisse der Veranstaltung dargestellt hat, ansonsten aber nicht weiter präsent war…

  3. Ich finde das auch schon deshalb ein fragwürdiges Spekaktel, weil viele, die am Einsatz beteiligt waren, gar nicht eingeladen waren und auch heftige Probleme mit der Art und Weise des Abzugs haben und sich nach wie vor um ehemaligen Ortskräfte sorgen, mit denen sie zusammengearbeitet haben, also zum Teil sogar selber finden, dass so eine Inszenierung nicht angemessen ist.

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