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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Wunschweltende – Roman

Hallo am Montagabend !

Ich kann ja nichts dafür, dass ich sooo schnell lese und Euch nun schon wieder mit einer Buchvorstellung traktiere.
Allerdings war das diesmal auch nur ein eher kurzes Lesevergnügen: 240 Druckseiten, ausnahmsweise einmal auf echtem Papier und nur noch antiquarisch zu bekommen. Also nichts, wofür ich länger als zwei Abende brauchen würde…

Doch das habe ich gerne auf mich genommen, zumal das ein Buch ist, was ich Mitte der 80er (kurz nach seinem Erscheinen) schon mal auf Empfehlung einer Kollegin hin gelesen habe, die ähnlich wie ich ganz angetan von der Utopie war, die im ersten Teil dieses Buches erzählt wird:

Wunschweltende
von Joyce Thompson

Der Ort – er hat keinen Namen – ist eine ganz besondere Oase in der Welt.
Denn dort leben Menschen, die als Opfer von Genmutationen durch radioaktive Strahlung vielschichtig behindert sind: Mit unsymmetrischen Körpern, fehlenden Extremitäten oder Sinnefähigkeiten und teils abstrusen Veränderungen von Haut und Aussehen, die im „normalen Leben draussen“ eine starke Stigmatisierung bedeuten würden
Aber diese Menschen (sie werden schon kurz nach ihrer Geburt in den Ort gebracht) – sind dort glücklich, weil jeder für sich optimale Verhältnisse vorfindet, sich ungehindert entwickeln kann und auch eine Lebensaufgabe findet, die die ihm angemessen ist und gleichzeitig der Gemeinschaft dient.
Einer Gemeinschaft, die nach einem speziellen Kodex lebt: Alle sind trotz ihrer Einzigartigkeit gleichwertig, Geschlecht, Behinderung und Hilfebedürftigkeit spielen keine Rolle. Man hilft sich gegenseitig, ohne daraus Ansprüche abzuleiten oder deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben.

Bindeglied dieser Gemeinchaft an die Aussenwelt ist Bruder Alice, Anthropologin und Botschafterin für die Väter (die Regierungsorganisation, die den Ort eingerichtet und ihm diesen Kodex gegeben hat), scheinbar ebenfalls eine Mutantin, Teil der Gemeinschaft und doch eine Sonderrolle einnehmend, weil es ihr obliegt, die Bewohner des Ortes vor der Aussenwelt zu schützen und ihre Geschicke zu lenken.

Doch alles ändert sich, als plötzlich die Finanzierung des Ortes ins Wanken gerät, Bruder Alice den Ort verlassen soll und dessen Bewohner ins Visier von skrupelllosen Wissenschaftlern geraten, die in den Bewohnern ein ideales neuen Forschungsfeld vermuten.
Woraufhin die Gemeinschaft entscheidet, sich dem zu widersetzen…

Dazu muss ich noch anmerken, dass ich seinerzeit in einer grossen, christlich geprägten Behinderteneinrichtung gearbeitet habe, in der von innen her betrachtet lange nicht alles so ideal war, wie es nach aussen dargestellt wurde.
Themen wie Intimsphäre, Sexualität, individuelle Förderung , eine den Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung auch im kreativen Bereich, all das stand damals nicht sehr weit oben auf der Agenda, wohl aber das leidige Thema Geld, an dem viele gute Ideen gescheitert sind und das immer wieder zu viel Frust bei bei Bewohnern und Mitarbeitenden führte.
Zumal es damals auch eine Zeitlang – ähnlich wie im Buch (wenn auch nicht ganz so drastisch) – Bestrebungen einer Kommerzialisierung gab, für die auch die Leistung der Bewohner genutzt werden sollte…. teils (und da ist wieder eine Übereinstimmung) schamhaft verbrämt mit dem Gedanken an neuartige wissenschaftliche Erkenntnissgewinne.
Was zum Glück aber nach relativ kurzer Zeit wieder vom Tisch war, nachdem andere Geldquellen aufgetan waren….

Insofern war diese Lektüre also durchaus von nostalgischen Gedanken geprägt und ein Stück weit auch eine Reise in meine eigene berufliche Vergangenheit, zumal sie damals Anlass für mich war, einiges an meinem Arbeitsumfeld in Frage zu stellen – und mittelfristig dazu führte, zunächst doch wieder im Klinik- und später in der ambulanten Pflege zu arbeiten.

Und alleine deshalb ist mir dieses Buch auch die gute Bewertung wert, selbst wenn ich zum Inhalt heute einige Fragezeichen setzen würde, weil mir manche der darin enthaltenen, teils beinahe poetisch beschriebenen Ideen doch etwas zu flach und eindimensional erscheinen und zuviel „heile Welt“ enthalten, die mehr Fragen offenlässt als sie beantwortet.

Dennoch:

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Der Klappentext:

Der Ort– ein geheimes Land ohne Kampf und Wett- eifer, voller Sanftheit und Kreativität. Ein Land, in dem jedem Bewohner ein Tag als verloren gilt, an dem er nicht zur Freude und Ergänzung der andern etwas geschaffen hat: einen Tanz, ein Werkzeug, einen Film, eine köstliche Mahlzeit. Die Wunschwelt, wenn ihr nicht das Ende drohte… Unter Den Leuten lebt Bartholomew, ein großer Künstler, mit seinen Augen und seiner Videokamera. Er schafft Fernsehen für die Gemeinschaft. Doch als er zu seinem Vergnügen Vögel am Himmel filmt, fällt ihm etwas Beunruhigendes auf: offenbar gibt es Wesen von symmetrischer Gestalt. Warum sind Die Leute so anders? Was wird ihnen verheimlicht? Bruder Alice erfährt, daß die Machthaber die warme Utopie – Den Ort – für Katastrophenexperimente mißbrauchen werden …

Rowohlt (Klappentext der Taschenbuchausgabe von 1984)

Habt alle eine feine Woche und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

schon wieder auf der Suche nach neuem Lesetoff……


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- Eine Bemerkung zu “Wunschweltende – Roman

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