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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Erwins Badezimmer – Roman

Guten Morgen am Samstagmorgen!

Er muss ja mal kleiner werden, mein grosser Stapel mit ungelesenen Büchern bzw. solchen , die ich gerne noch ein zweites Mal lesen würde. Und da bot es sich an, gleich eins zu nehmen, was schon lange ziemlich obenauf lag, nachdem ich es vor gut vierzig Jahren zum ersten mal gelesen hatte und letztes Jahr als E-Book-Ausgabe wiedergefunden hatte:

Erwins Badezimmer
von Hans Bemmann

Albert S. schreibt Briefe. Lange Briefe an eine Freundin im fernen L. in denen er ihr berichtet, wie er als pflichtgetreuer Philologe und Beamter mit dem Gesetz in Konflikt kommt, nach einer Verhaftung in den Untergrund geht und schlussendlich verbannt wird.
Briefe, in denen es um Sprache geht, um eine engstirnige staatliche Sprachregelung, die auf deren Eindeutigkeit abzielt, um die Entdeckung, dass Sprache aber viel mehr ist und viel mehr kann, um das Badezimmer seines Freunde Erwin, das sich als riesige geheime Bibliothek voller verbotener Schriften erweist, um Geschichten und Märchen und nicht zuletzt auch um eine sich zart entspinnende Liebe…

Das klingt vielleicht verwirrend, ist es aber nicht, denn die Geschichte des Albert S. ist durchaus logisch aufgebaut und wird zu einer regelrechten Entdeckungsreise ins Land der Fantasie mit mehreren parallel laufenden Handlungsfäden.
Zu allererst natürlich dem, der vordergründig aufscheint: Die Sprache und ihre Möglichkeiten jenseits dessen, was vom Staat in der „grossen Sprachreinigung“ zu deren Vereinfachung und Eindeutigkeit festgelegt wurde und nun systematisch kontrolliert wird – mit einem Kontrollorgan, dass der Stasi nicht unähnlich ist, mit Denunziation und Unterdrückung von allem, was nicht der offiziellen Regelung entspricht.
Damit scheint auch ein zweiter Handlungsfaden auf, der mit seiner Teilung des Landes durch den grossen Strom deutliche Parallelen zum deutsch-deutschen Verhältnis während der Entstehungszeit des Buches Anfang der 80er des letzten Jahrhunderts aufweist:
Auf der einen Seite der Staat, in dem Albert lebt – und jenseits des Stromes, hinter den Bergen ein Land, in dem angeblich alle Freiheiten herrschen, ohne dass man in Alberts Land genaueres darüber weis, unerreichbar und nur gerüchteweise bekannt.
Wie auch die Frage nach Religion, die ebenfalls systematisch in Alberts Land unterdrückt wird und immer deutlicher hervortritt, je weiter er in ihm neue Felder des Wissens eindringt.

Und nicht zuletzt entdeckt man in dem Buch (besonders im ersten Teil)auch immer wieder Anklänge an Orwell’s „1984“ und Bradbury’s „Fahrenheit 451“, so wie (im zweiten Teil , schon in der Verbannung) an Huxleys „Schöne neuen Welt“, difizil eingearbeitet und damit unterschwellig ein Bedrohungsszenario aufbauend, das scheinbar im völligen Widerspruch zum eher sanften, teils fast märchenhaften Erzählstil des Buches zu stehen scheint, aber im Grunde doch ein wesentlicher tragender Teil der Handlung ist…

Und genau das ist es, was mir an diesem Buch so grossen Spass gemacht hat, das oberflächlich betrachtet eher leichte Kost ist, aber sich bei genauem Hinsehen als eine feinsinnige Mischung aus Motiven ganz verschiedener Bücher erweist, die weit über das hinausgeht, was die Urheber dieser Motive in ihren Büchern zu erzählen hatten. Weil es Bemmann gelingt, diese Motive so gekonnt zu verknüpfen, dass daraus etwas ganz eigenes entsteht… und mit den Feinheiten der Sprache als Aufhänger nochmal einen völlig neuen Aspekt bekommt, der sich in manchen Dingen auch noch in unser tägliches Leben in der heutigen Zeit übertragen lässt

Insofern also:

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Der Klappentext:

Ein fantasievoller, fesselnder Roman von Hans Bemmann, dem Autor des Beststellers »Stein und Flöte«: In einem Staat, in dem Bücher verboten sind, gibt es nur wenige, die Widerstand leisten. Unter ihnen ist Erwin, der in seinem Badezimmer ein Literaturarchiv von verbotenen Schriften angelegt hat. Von seinem nahezu unzugänglichen Hinterhaus aus wird unter Lebensgefahr die Literatur aus der Zeit vor »Großen Nationalen Sprachreinigung« weiterverarbeitet. Als eines Tages der pflichtbewusste Beamte Albert S. auf Erwins Geheimnis stößt, ist er fasziniert davon und beginnt, Nachforschungen über die Literatur der »Vor-Zeit« anzustellen – ohne zu ahnen, auf welches Abenteuer er sich dabei einlässt …

Amazon

Wie immer:
Habt ein zauberhaftes Wochenende (vielleicht auch mit einem guten Buch vor der Nase) und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der jetzt mal wieder überlegt, was er als nächstes vom grossen Stapel nimmt….


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- 5 Bemerkungen zu “Erwins Badezimmer – Roman

  1. Klingt spannend. Ich habe gerade ein etwas unverdauliches Buch, da wäre ein Wechsel nicht schlecht.

  2. Klingt ganz so als könnte es mir gefallen. Ich bin zufällig gerade auf der Such e nach etwas anderen Geschichten als die häufig von mir konsumierten Krimis. Da kommt mir diese Empfehlung gerade Recht.
    Grüße
    Matthias

    1. Herzlich Willkommen, Matthias ;-)

      Ich lese ja selbst so ziemlich alles, was mir vor die Nase kommt, auch Krimi, Scifi und gelegentlich mal Fantasy, aber meist Romane, die etwas Tiefgang haben.
      Und dabei ist Hans Bemmann jemand, den ich eigentlich sehr als Erzähler schätze, der gelegentlich auch mal ins Märchenhafte abschweift, aber immer auch „gute Geschichten“ zu erzählen hat, die durchaus Tiefgang haben …

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