– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Tag der Entscheidung?

Guten Morgen am 31. Oktober!

Heute ist mal wieder ein Tag des Entweder <—> Oder…


Jedenfalls oberflächlich betrachtet, denn für die Einen ist heute Reformationstag und für die anderen das „Kürbisfest“, auch Halloween genannt, das als Mischung zwischen Walpurgisnacht und Karneval Ende des letzten Jahrhunderts aus den USA zu uns herübergeschwappt und inzwischen so kommerzialisiert ist, dass ganze Branchen davon leben.

Womit auch die Frage, ob Luther oder Kürbis jedes Jahr aufs neue thematisiert wird, wobei die Standpunkte unterschiedlicher eigentlich nicht sein könnten.

Auf der einen Seite der biedere und wortgewaltige Reformator, dessen Thesen am Wittenberger Dom vor über fünfhundert Jahren ein wahres Erdbeben in der damals schon abstrusen Glaubenswelt der Katholischen Kirche auslösten und auf der anderen Seite fröhlich feiernde Menschen, denen Glaubensregeln herzlich egal zu sein scheinen und dieses Datum in jedem Jahr Anlass zu Parties und mehr oder weniger lustigen Streichen bietet.

Dabei, wenn man es genauer betrachtet, haben beide Anlässe doch sogar eine gemeinsame Wurzel, ausgehend von Widerständen gegen Brauchtümer der katholischen Religionslehre, die den 1. November als den Feiertag Allerheiligen definieren und der Verehrung der Menschen widmet, die nach ihrer Glaubensdefinition als Märtyrer die Rolle der Heiligen einnehmen und damit auch zu Mittlern für einen Dialog zwischen Mensch und Gott erhoben werden:

Und genau dagegen hat sich Luther mit seinen 95 Thesen gegen den Ablasshandel gewendet, weil er unter anderem der Meinung war, dass es dieser Mittler(und damit auch des Zinnober um sie herum)gar nicht bedürfe. Denn wer die Bibel genau lese, der könne auch erkennen, dass Gott und die Menschen immer im direkten Dialog miteinander sein können, ohne zwischengeschaltete Vermittler nötig zu haben….

Was auch ein Stück weit erklären mag, warum er ausgerechnet den 31. Oktober wählte, um seine Glaubensthesen an die Kirchentür in Wittenberg zu nageln, damit jeder sie sehen kann, wenn er am Allerheiligen-Tag zum Gottesdienst geht.

Ähnlich , wenn vermutlich auch auf dem Hintergrund althergebrachter („heidnischer?“) Bräuche – namentlich Samhain als Totenfest – die ursprünglichen Hintergründe von Halloween:

Das Wort Halloween, in älterer Schreibweise Hallowe’en, ist eine Kontraktion von All Hallows’ Eve („Aller Heiligen Abend“), benennt den Tag bzw. den Abend vor Allerheiligen (wie auch bei Heiligabend, englisch Christmas Eve).

……..

1852 ist laut Reverend John M. Wilsons Rural Cyclopedia Halloween einer der wichtigsten Feiertage insbesondere der Landbevölkerung in England und Schottland und werde ausgelassen begangen. Dabei beklagt er die „abergläubischen, heidnischen und höchst tadelnswerten Riten [der Landbevölkerung in Schottland], die gegen den gesunden Menschenverstand, die guten Sitten und die christliche Religion“ verstoßen würden.

Wikipedia

Denn hier wie da ging es neben dem Protest gegen Glaubensregeln der Katholischen Kirche auch (mal stark vereinfacht ausgedrückt) um einen Prozess der Reinigung und des Vertreibens von bösen Geistern am Vorabend des Allerheiligen-Tages. Bei Luther mit den für seine Zeit sehr gewagten Thesen, welche die Allmacht der Kirche (und ihrer Führungsebene, des Papstes und seiner Bischöfe) anzweifelten, und in den Volksbräuchen um Halloween um das Vertreiben der bösen Geister und ( später) auch um einen Protest gegen Kirchliche Moralvorstellungen. Woraus im Lauf der Zeit durch verschiedene Beimengungen dann das wurde, was wir heute kennen – und Halloween zum kommerzialisierten Selbstzweck wurde…

Und damit trifft sowohl für den – bisher noch nicht zum Event erhobenen – Reformationstag und Halloween im Grunde das gleiche zu:
Die Ursprünge dahinter sind fast in Vergessenheit geraten und man feiert die Ereignisse lediglich noch um ihrer selbst willen. Die einen etwas Moralinsauer und die anderen ausgelassen und fröhlich, jeweils auch mit einer Menge Unverständnis der anderen Seite gegenüber.

-_-_-_-

Und ich?
Tja, ich tendiere da wohl auch eher zur moralinsauren Seite, schon aufgrund meiner Sozialisation und meines Missfallens vielem gegenüber, was aus Amerika zu unser herüberschwappt.
Und dennoch denke ich – nachdem ich nun einmal nachgelesen habe – dass man auch gönnen können muss und jeder mit diesem 31.Oktober so glücklich werden sollte, wie es seiner Auffassung am besten entspricht.
Die einen in der Kirche – die anderen verkleidet auf der Party oder abends beim Einheimsen von Süssem oder Sauren an den Türen der Nachbarschaft.

Und ich muss mich auch nicht entscheiden, denn im Grunde sind beide Arten nicht so meine, diesen Tag zu begehen. Man wird mich also weder in der Kirche noch auf einer Party finden können…


Euch allen einen beschaulichen Reformationstag oder Happy Halloween – ganz wie es Euch beliebt.
Hauptsache, ihr bleibt auch an diesem Tag gesund und behütet!
Und wie immer: Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der diesen Tag ganz entspannt auf dem Sofa zu verbringen beabsichtigt – und lediglich heute Abend die Klingel abstellen wird…


-1100-