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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Was hast Du da eigentlich gemacht ???

Tagchen zusammen!

Auf der Suche nach etwas ganz anderem (Leser von Claras auf privat gestellten Blog werden vielleicht wissen, was ich meine) bin ich gestern mal wieder auf archive.org unterwegs gewesen, um mit der Wayback Machine etwas zu überprüfen.

Die Wayback Machine ist ein kleiner Bot, der automatisch und ungefragt in unregelmässigen Abständen Snapshots von fast allen Websites erstellt, so dass man sich ihren länger zurückliegenden Zustand ansehen kann. Allerdings findet man dort meist nur die Texte, manchmal aber auch Layout und Bilder. Immer vorausgesetzt, die betreffende Seite war nicht gegen Suchmaschinen geschützt. Denn das respektiert der Bot von archive.org und fertigt auch keine Snapshots der betreffenden Seite.
Gelegentlich ist dieser Service ein Segen, wenn man selbst keine Backups hat, manchmal aber auch ein Fluch, weil sich damit überdeutlich zeigt, dass das Internet wirklich -fast – nichts vergisst, was einmal online war. Auch wenn manches in den Internet-Archiven nur noch unvollständig vorhanden ist und man sie nicht durchsuchen kann.

Allerdings – und das möge Clara als Beruhigung dienen:
Das, wonach ich gesucht habe, ist dort glücklicherweise nicht zu finden, auch wenn es einige Snapshots von Claras Blog gibt, der ja bisher immer offen für Suchmaschinen war.

-_-_-_-

Und wo ich schon mal dabei war in der Vergangenheit zu stöbern, habe ich – eigentlich nur aus Jux und Dollerei – auch gleich mal nach den eigenen Fussabdrücken gesucht, die ich vor langer Zeit im Netz hinterlassen haben könnte.

„Viel kann ja da nicht sein“ dachte ich – und das trifft auch zu für die Zeit ab 2010/11, in der wir unsere Blogs für Suchmaschinen geschlossen halten.

Doch aus der Zeit davor findet sich tatsächlich noch Einiges:
Beispielsweise noch viele der damals öffentlichen Seiten unseres seit 2010 gelöschten Forums, (wenn man auch einzelne Beiträge nicht mehr aufrufen kann, weil die Links dazu ins Leere zeigen) und sogar einige Fragmente meines ersten Blogs („As Time goes by „) aus den Jahren 2003/04, mit dem ich seinerzeit die ersten Gehversuche in Bloggersdorf unternommen habe, bis mich ein heftiger Depressions-Schub im Frühjahr 2004 das Projekt wieder abbrechen liess.

Wobei mir vieles heute eher peinlich scheint, was ich damals mit der Welt geteilt habe – ich aber auch einen selbst verfassten Text wiedergefunden habe, an dem ich gerade ein wenig herum knabbere, weil ich mich in dieser Zeit (wenn auch aus anderen Gründen) wohl in einer ähnlichen Warteschleife befand wie heute auch wieder:

Tage wie Blei

Eigentlich müßte ich so vieles tun.
Eigentlich möchte ich so vieles tun.
Aber irgendwas hindert mich daran.

Und ich versuche mich aufzuraffen
wenigstens etwas zu tun,
einen Anfang zu finden.

Also tue ich etwas,
ohne es wirklich zu wollen, 
ohne Spaß dabei zu empfinden,

damit nicht die Zeit vergeht,
ohne daß ich etwas getan habe.

Später
sehe ich darauf zurück
und frage mich:

Was hast Du da eigentlich gemacht???

02.02.2004 MB

Tja, was habe ich da eigentlich gemacht – und warum habe ich vor zwanzig Jahren diesen Text geschrieben???

Damals – ich erinnere mich – klemmte ich ziemlich zwischen Baum und Borke, weil vieles in der Luft hing, für das es keine Lösung und keinen gangbaren Weg zu geben schien:

Mit einem Fuss noch in meinem alten Leben, weil die Scheidung noch nicht durch und der Ablösungsprozess von meinem vorherigen Leben noch nicht abgeschlossen war, es keine Umgangsregelung für meine Kinder gab (was auch in der Folge noch jahrelang ein schwieriges Thema blieb), arbeitslos (und auch nicht arbeitsfähig), konfrontiert mit einem Berg Schulden, für die ich nur zum Teil selbst die Verantwortung trug – und ohne Plan, wie sich das alles auflösen liesse.
Wobei meine damalige Mitbewohnerin auch keine Hilfe war, die in ihrer eigenen Instabilität ebenfalls heftig an mir zerrte, so dass ich als Reaktion darauf irgendwann komplett den Boden unter den Füssen verloren habe und ganz in der Depression versunken bin…

Zugegeben:
Das war damals schon einen ziemlich heftige und schwierige Zeit für mich – aber mit Blick von heute denke ich, dass dieser Weg durchs tiefe Tal auch hilfreich war, um zu erkennen, dass ich nur mit professioneller Hilfe wieder alleine stehen lernen kann – und dass ich erst dadurch dahin kommen konnte, wo ich heute bin.

-_-_-_-

Und das auch ist der Punkt, an dem sich das Heute vom Damals unterscheidet, auch wenn es zum Blitzlicht des Textes von damals tatsächlich wieder manche Parallelen zu geben scheint:

Denn jetzt habe ich ein stabiles Umfeld und ein geregeltes Leben mit einer Frau an meiner Seite, auf die ich mich verlassen und stützen kann – und einem kleinen Netzwerk an Hilfen, auf das sich zurückgreifen lässt, wenn es nötig ist. Insofern ist diese Ungewissheit jetzt auch viel einfacher zu ertragen, obwohl wieder manches in der Schwebe scheint, bei dem (noch) nicht vorhersehbar ist, wie die Reise weitergeht – Stabil auch dann, wenn depressive Gedanken mal wieder meine Zuversicht trüben und mir Zukunftsängste einreden wollen.
Insoweit wäre es jetzt (verglichen mit damals) zumindest Jammern auf sehr, sehr hohem Niveau, würde ich diesen Text auf heute beziehen oder als Beschreibung meines „jetzt“ zitieren wollen. Denn bei genauerer Betrachtung stimmt er einfach nicht mehr für mich.

-_-_-_-

Dennoch bin ich wirklich froh, ihn zufällig wiedergefunden zu haben. Denn er zeigt mir, dass es mir heute vergleichsweise um vieles besser geht als damals in der dunklen Zeit vor über zwanzig Jahren.
Diese Erkenntnis hilft mir gerade wirklich weiter….und lässt mich die Wartezeit auf den nächsten Schritt um einiges besser ertragen.
Und das ist dann doch auch wieder gut, oder?


Bleibt nur noch Euch das zu wünschen, was ich Euch immer wünsche –
und danke zu sagen fürs Lesen!

Euer Wilhelm,

(und ebenfalls wie immer:
Wir lesen uns :bye: )


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