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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

News-Detoxing

Guten Tag, Ihr Lieben

Angestossen durch einen Beitrag von Hans-Georg – und fussend auch auf meiner eigenen Erfahrung der letzten Wochen und Monate, dass die tägliche Flut von schlechten Nachrichten bei mir mehr und mehr zu einem Rückzug, ja sogar zur regelrechten Verweigerung täglicher News geführt hat – habe ich gestern noch mal nach einem Beitrag gesucht, den ich schon vor einiger Zeit gelesen hatte.
Einem Beitrag, der sich mit dem Thema Nachrichtenmüdigkeit beschäftigt und möglichen Wegen wie man damit umgehen könnte.

Denn Verdrängen ist ja auch keine Lösung, zumindest nicht für mich, wenn ich wenigstens im Groben noch über das Geschehen in der Welt informiert sein will. Selbst dann nicht, wenn dabei meine eigene Ohnmacht immer wieder zutage tritt, samt Wechselbad der Gefühle zwischen Empathie, Abscheu, Überdruss, Ängsten und Abwehr:

Krisennachrichten wecken Urängste

Bei vielen Menschen würden diese Nachrichten Hilflosigkeits- und Ohnmachtsgefühle auslösen, die zu Stress und Angst führen, sagt die Kölner Psychotherapeutin Julie Forlorou. Auch Stefan Brandenburg, Chef des WDR Newsrooms, sieht hier eine Ursache für die wachsende Nachrichtenmüdigkeit: „Diese großen Krisen der vergangene Jahre haben etwas mit Menschen gemacht“, sagt er, „haben sie zurückgelassen mit einer intellektuellen Überforderung, das alles zu sortieren. Aber auch mit einer seelischen Überforderung.“ Dabei seien Urängste geweckt worden, auf die viele mit Abwehr reagieren würden: „Ich kann’s nicht mehr hören, lasst mich damit in Ruhe.“

WDR.de

Was ziemlich exakt das beschreibt, wie ich mich wie ich mich selbst damit fühle. Um so mehr, je häufiger dieses Gewitter schlechter Nachrichten auf mich einprasselt, wenn ich nicht selbst die Möglichkeit habe, es in für mich erträgliche Häppchen zu dosieren. (Ich hatte hier schon mehrfach darüber geschrieben.) Was schon vor langer Zeit – neben anderem – der Grund war, mich von Facebook und Co zu verabschieden und einzig aufs Bloggen zu verlegen.

Weil ich es satt war, in meiner Timeline immer wieder Themen zu finden, die ich einfach nicht mehr ertragen konnte. Und weil es nebenher auch immer noch ganz persönliche Baustellen gab, die mich zeitweise mindestens ebenso stark belastet haben wie das, was von aussen an mich herangetragen wurde.

Was eben nicht nur für Junge Menschen zutrifft, wie Frau Forlorou es im weiteren beschreibt:

Junge Menschen ziehen sich besonders zurück

Die Jüngeren seien durch die Flut an negativen Nachrichten überlastet, „die machen die Schotten dicht“, so Forlorou. Sie sieht dabei einen direkten Zusammenhang mit den Sozialen Medien, die mittlerweile eine große Rolle bei der Verbreitung und Interpretation von Nachrichten spielen. Dabei vermische sich schnell Privates mit ungewolltem Nachrichtenkonsum, sagt die Psychologin, und nennt ein Beispiel: Eigentlich wollte man nur nachschauen, was die Freundin am Freitagabend macht – und stolpere dabei unweigerlich über ein Video von den Protesten im Iran.

Ebenda

Denn das gleiche Phänomen ist es ja auch, was mich zum Rückzug getrieben hat, nachdem es mir nicht mehr gelingen wollte, derartige News einfach zu überlesen – und sie mir wiederholt in schlechten Träumen und Grübeleien wieder begegneten, die ich kaum noch aus meinem Kopf verbannen konnte.

Und mich nach meinem Abgang bei Facebook zu der Frage führten, ob ich eigentlich schon so abgestumpft mit, dass mich das alles nichts mehr angeht und dabei auch das über die Klinge springen lasse, was ich an Facebook durchaus gut fand? Denn schliesslich habe ich dabei ja auch eine Reihe privater Kontakte verloren, die mir in der Rückschau doch ganz wichtig waren und sich leider auf anderem Weg auch nicht aufrecht erhalten liessen….

Und dennoch war der Schritt wohl richtig, wenn ich das darüberlege, was Frau Forlorou weiter sagt:

Vom bewussteren Umgang mit Nachrichten

Psychotherapeutin Forlorou rät Nachrichten-Usern, den Konsum bewusst zu timen: Negative Nachrichten über den Zustand der Welt seien verkraftbar für Menschen, die psychisch stabil sind. Wer aber gerade mit der eigenen Vergangenheit oder anderen persönlichen Themen kämpft, solle an solchen Tagen nicht noch „das Weltgeschehen obendrauf packen“.

Was aber bedeutet das für seriöse Nachrichtenredaktionen, wenn die Weltlage nun mal viele bedrückende Fakten bereithält, wenn es nicht nur positive Nachrichten zu berichten gibt? Die Psychotherapeutin hat da eine klare Position: „Die Verantwortung liegt beim Individuum“ – also bei jedem einzelnen Medienkonsumenten.

Wichtig sei es, kritisch in sich hineinzuschauen: Wer das Gefühl hat, schlechte Nachrichten gut „abschütteln“ zu können oder die Möglichkeit, mit anderen darüber zu reden, könne ruhig auch Push-Nachrichten weiter aktiv lassen und bewusst die Nachrichten hören. Wer aber merke, dass das zu Unbehagen führe, sollte es für diese Zeit lassen. Stichwort Resilienz stärken: „Wir sollten darauf achten, dass unser Alltag ausgeglichen ist zwischen Anforderungen – wie dem Konsum von Nachrichten – und positiven Aktivitäten. Wenn diese Waage relativ stabil ist, stärken wir unsere Resilienz.“

Ebenda

Auch, wenn ich mich letztens in einem Kommentar erst wieder anranzen lassen musste, dass meine bewusste Nachrichtenabstinenz es mir ja unmöglich mache, ein möglichst umfangreiches Bild der Lage in der Welt zu bekommen und ich deswegen zu falschen Einschätzungen käme….

Was aus Sicht der betreffenden Kommentatorin vielleicht sogar richtig sein mag, aber eben auch nur aus ihrer Sicht.
Weil es niemandem zusteht, jemand anderem Vorwürfe zu machen, wenn er es aus reinem Selbstschutz vorzieht, sich nur soweit zu informieren, wie er es ertragen kann.
Punkt.
Und weil es durchaus eine Strategie des Nachrichten-Detoxing gibt, mit der ich trotzdem halbwegs gut informiert blieben kann (leider finde ich die Website nicht wieder, wo ich sie gefunden habe):

Nämlich Nachrichten (und oft auch die damit verbundenen Spekulationen) nicht nebenher zu konsumieren, wie man es in Timelines oder bei der Dauerberieselung in linearen Medien (und schlimmstenfalls noch auf reinen Nachrichtenkanälen) tut – weil das (so der/die Autor/in dieses Beitrages) nur dazu führe, dass sich im Unterbewusstsein deswegen ein „Sumpf unguter Gefühle“ aufbaue, da diese Nachrichtenflut gedanklich gar nicht verarbeitet und eingeordnet werden könne – sondern Nachrichten ganz bewusst und komprimiert zu konsumieren (etwa mit nur einer täglichen Nachrichtensendung oder bei der Zeitungslektüre) und sich ggf. im Anschluss daran aus zuverlässigen Quellen zu den Themen weiter zu informieren, die einen dabei besonders interessieren, dabei aber auch immer auf die eigenen Grenzen achtend.

Und genauso mache ich es (auch ohne diesen Artikel vorher gelesen zu haben) schon lange.
Weil mir mehr einfach nicht gut tut…..


In diesem Sinne:
Habt einen ruhigen Tag und ein stressfreies Wochenende. Und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

dessen Nachrichten-Müdigkeit nun langsam wieder etwas nachlässt…..nachdem auch ein paar andere Dinge etwas sacken konnten….


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- 11 Bemerkungen zu “News-Detoxing

  1. Moin.
    Deine Erfahrungen kann ich nur bestätigen. Mir geht das ebenso. Und zu den „jüngeren Menschen“, ich kopiere hier einfach mal einen Absatz rein, den ich im Frühjahr geschrieben hatte, eine wahre Begebenheit im Rahmen meines Lebenshilfejobs:

    2. Ich unterhalte mich abends mit einem jungen Mann, auf dem Papier gerade erwachsen geworden, Fachschüler, wohnt noch bei den Eltern, und will das Gespräch mit den Worten beenden: So, gleich kommt die Tagesschau, mal sehen, was es so Neues in der Welt gibt. Er erwidert mir, dass er sich keine Nachrichten ansieht, weil das seiner Meinung alles nur Stimmungsmacherei sei und was heute richtig ist, ist morgen falsch. Ok, denke ich mir, und frage: Du weißt schon, wer unser Bundeskanzler ist? Ja, das weiß er, beim Vizekanzler muss er aber schon passen. Das Klima-Thema interessiert ihn nicht, weil er würde Fahrrad fahren und den ÖPNV nutzen, wenn das alle täten, hätten wir kein Klima-Problem, und zum Krieg in der Ukraine meinte er nur: Das ist nicht meine Baustelle. Wenn die meinen sich gegenseitig totschießen zu müssen, dann sollen die das tun.

    Tja, was willst’e dazu sagen? Und ich muss ehrlich gestehen: Meine tägliche Tagesschau gib mir heute, ist auch nicht mehr so ausgeprägt wie früher ;)
    Grüße aus OH

    1. Hmm….

      Diese Art der Nachrichten-Ignoranz habe ich noch zu Hamsterradzeiten auch bei einigen meiner Azubis kennengelernt, der Hauptinformationsquellen bei Instagram und Facebook – oder Schlimmer noch – Video-Streams bei Youtube waren, weit ab von jeglichem Tagesgeschehen ausser den neusten Mode- und Schmik- und Musiktrends.
      Lineare Programme kannten die auch nur von Privatsendern in Form von „Let’s Dance“ oder Klumps und Bohlens Horror-Shows.

      Insofern hat mich dann auch die Aussage eines dieser Strategen nicht mehr gewundert, gar nicht zu wissen, wo die öffentlich Rechtlichen auf seiner Fernbedienung zu finden wären….
      (auch wenn ich die gleiche Unwissenheit in Bezug auf die Privatsender hege und pflege)

      Was aber mal wieder zeigt, dass mehr Vielfalt (in der Medienwelt) auch nicht unbedingt ein Segen ist….

  2. Bei jungen Leuten kommt vielleicht noch dazu, dass sie einen Job haben und dort auch eventuell mit Problemen belastet werden. Ich kann gut verstehen, wenn man sich dann am Wochenende oder nach der Arbeit den weltweiten Problemen verweigert.

  3. Nun – wenn man alle Aspekte aus allen Richtungen komplett beleuchten möchte, dann müßte man die Nachrichtensendungen sämtlicher Kriegsparteien regelmäßig konsumieren.
    Was irgendwie auch Blödsinn ist, wenn man wie ich z.B. weder russisch, noch ukrainisch, noch israelisch oder arabisch beherrscht.

    Interessant war allerdings die Zeit, in der wir über Schüssel Al Jazeera auf Englisch empfangen konnten. Den Sender hatten wir auf unserer Nilkreuzfahrt kennen gelernt.
    Da wurden z.B. Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes als absolute Helden dargestellt. Sie waren zum damaligen Zeitpunkt mit Suchhunden in einem arabischen Erdbebengebiet im Einsatz und retteten zahlreiche Leben.
    Bei uns war das nur einen Bericht am Rand wert …

    Aber natürlich wurden dort über div. Weltereignisse aus einer anderen Sichtweise berichtet. Die nun gar nicht der, der westlichen Welt entspricht.

    1. Natürlich könnte man das tun, was Du da beschreibst.
      Aber: wo anfangen und wo aufhören?
      Und wie kommt man dann mit den völlig unterschiedlich eingefärbten Meinungsbildern klar, die mit dieser Informationsflut einher gehen? Denn auch das ist ja schon kaum zu bewältigen, wenn man sich nur auf die unterschiedlichen Sender in deutscher Sprache konzentriert, die sich für mein Gefühl auch schon viel zu oft in Spekulationen ergehen, wenn die Fakten noch nicht mal klar kommuniziert sind….
      Alleine NTV und Co sind dafür schon ein gutes Beispiel – und leider auch viel zu oft die Brennpunkte nach der Tagesschau, die (kurz nach einem Ereignis) meist kaum vertiefende Fakten enthalten, sondern genauso vor Spekulationen und halb Ausgegorenen strotzen wie viele News-Shows auf den privaten Kanälen…

      1. Ganz genau so sehe ich das auch.

        Oft wird leider nur wiederholt, was der andere Sender gerade berichtet hat. Neue Fakten tauchen bei dieser Nachrichtenflut kaum im Laufe eines Abends auf. Wie auch?

  4. Ich gehe da ähnlich mit um, die Spätnachrichten gebe ich mir, sonst herrscht Funktstille oder ich schaue Doku‘s wo es etwas Positives zu berichten gibt. Plan B in der ZDF Mediathek zum Beispiel macht mir gute Laune, weil es zeigt, dass es eben nicht nur Mord und Totschlag gibt

  5. Mediathek ist die eine Möglichkeit, die ich gerne nutze – und die andere im linearen Programm, solche garantiert Newsfreien Dinge wie Lichters Trödelshow oder auch mal eine Herz-Schmerz-Schmonzette, wenn ich schon mal fernsehe, was tagsüber eigentlich nie vorkommt.
    Und auch das Radio bleibt aus, stattdessen nutze ich schon von langem Streamingdienste, wenn ich Musikuntermalung möchte.

    Um informiert zu bleiben habe ich vor allem zwei Quellen: Morgens eine ausführliche Zeitungslektüre im Netz für die Hintergrundinformationen und abends die Zwanzig-Uhr-Tagesschau für das, was den Tag über passiert ist, während ich um Talk-Shows und alle Magazinsendungen inzwischen einen grossen Bogen mache…

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