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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Now & Then

Guten Morgen kurz vor dem Wochenende!

Kaum zu glauben, aber wahr:

Da gibt es doch – gerade frisch erschienen – ein niegelnagelneues Lied von den Beatles, über fünfzig Jahre nach dem offiziellen Ende der Band, über 40 Jahre nach dem Tod von John Lennon und mehr als zwanzig Jahre nach dem Tode von George Harrison – eingespielt von Ringo Star und Paul McCartney unter Zuhilfenahme alter Bänder mit der Stimme von John Lennon und des Gitarrenspieles von George Harrison:

The Beatles – Now & Then

Unzweifelhaft ein Meisterwerk der Tontechnikerkunst, das ohne die Anwendung künstlicher Intelligenz nicht möglich gewesen wäre, wie man gestern einem zugehörigen Promotion-Beitrag entnehmen konnte.

Nun ja.

Wobei ich an dieser Stelle gleich aus mehreren Gründen Zweifel habe.
Nicht nur, weil mir bei diesem Werk fast alles fehlt, was für mich einen guten Beatles-Song ausmacht, sondern weil es bei aller Hochachtung für das gelungene Werk des Tonmeisters doch nichts anderes ist als ein Fake, dem jede Authentizität fehlt, ähnlich wie wir es schon von vielen Fake-Fotos kennen, die allenthalben die Runde durchs Netz machen.
Denn es wird sicher Gründe gehabt haben, warum dieser Titel nicht schon zu Lebzeiten von John Lennon erschienen ist, dessen Stimme nun posthum bei dieser Aufnahme nochmal ausgeschlachtet wird, um damit eine Sensation zu zimmern, die peinlicher nicht sein könnte und vermutlich vor allem kommerziellen Zwecken dient…
Und wie man hört, gilt ähnliches auch für die Gitarrenton des George Harrisson, die man wohl aus Aufnahmen heraus destilliert hat, die mit diesem aktuellen Titel überhaupt nichts zu tun hatten.

Deshalb weis ich auch nicht, ob man den beiden nun wirklich einen Gefallen damit tut, dass man sie als KI-generierte Zombis aus dem Grab zerrt und nochmal mitspielen lässt – auch wenn sich damit mal wieder zeigt, was mit moderner Computertechnik so alles möglich ist.

-_-_-_-

Aber so faszinierend das vom rein technischen Standpunkt aus auch sein mag:
Zusammen mit anderen Beispielen zeigt es auch mal wieder, dass sich damit die Grenzen der Realität mehr und mehr verwischen, der wir im Netz begegnen:

Wobei dieser Obama-Deep-Fake ja noch harmlos (und wohl auch von ihm selbst autorisiert) ist, an dem sich die weiteren Möglichkeiten dieser Technik zeigen, mit der sich ohne weiteres auch die grössten Tabus brechen liessen:

Was wäre denn, wenn auf die Art jemand die grössten Verbrecher wieder auferstehen liesse – Adolf den Allerletzen beispielsweise – und ihnen dabei Worte und Inhalte unterschiebt, die sie nie gesagt haben?
Oder, wenn jemand die gerade hoch gelobte Ansprache des Herrn Habek zum Palästinakonflikt so umfrickelt, dass der zum übelsten Rassisten und Kriegshetzer wird?

Die technischen Möglichkeiten dafür sind ja da, es fehlt eigentlich nur noch jemand, der sich die Mühe macht…

Und dagegen dürfte auch wenig helfen, dass die EU, die USA und noch einige Staaten mehr (aber weder China noch Russland) beginnen, sich nun endlich Gedanken über das Thema einer wirksamen Regulierung künstlicher Intelligenz zu machen, für die es unzweifelhaft zwar auch einige sehr sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten gibt, aber nebenher eben auch Möglichkeiten, die jetzt schon weit über das hinausgehen, was die Beispiele an Fakes und Deep-Fakes zeigen, die wir jetzt schon allenthalben finden. Der Fantasie sind dabei jedenfalls kaum noch Grenzen gesetzt…. auch nicht auf anderen Gebieten, wie etwa der Forschung

Womit unser Leben in Zukunft wohl keinesfalls einfacher wird, weil es immer wichtiger wird Informationen aller Art auch auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen – und man immer weniger glauben kann, dass alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

-_-_-_-

Doch nochmal zurück zu denn Beatles und deren neu erschienenen Titel, bei dem im Grunde ja nichts anders passiert ist, als das zu nutzen, was an technischen Möglichkeiten ohnehin vorhanden ist – ähnlich, wie manche es von uns es ja auch schon machen, wenn sie die Möglichkeiten der Bildbearbeitungen nutzen, um KI-unterstützt störendes Beiwerk wie Grashalme oder Schilder oder gar ganze Personengruppen ganz einfach auszuradieren, die den Gesamteindruck ihres Bildes stören könnten – oder schlimmer: etwas hinzufügen und perfekt einbinden, was vorher gar nicht da war….

Meistens harmlos, aber dennoch ein Fake, was nachher dabei rauskommt.

Und so fängts an, dass selbst im Kleinen schon die Realität manipuliert und zurecht gebogen wird. Insofern verwundert mich auch nicht, dass auch im Grossen immer weniger davor zurückgeschreckt wird, wenns dem Kommerz oder schlimmerem Zielen dient..
Dafür ist dieser Beatles-Titel ein richtig gutes Beispiel.


In diesem Sinne:
Habt ein feines Wochenende mit geschärftem Blick und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der handgemachte Musik allemal bevorzugt….


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- 10 Bemerkungen zu “Now & Then

  1. Es hat mich gestern sehr genervt, dass in jeder Nachrichtensendung, egal ob Radio oder TV, egal welcher Sender, immer wieder dieser neue Song angespielt und hochgelobt wurde. Vielleicht lags auch daran, dass ich noch nie ein Beatles Fan war sondern zur Stones Fraktion gehörte.
    Ich denke man sollte wirklich nicht alles machen was möglich ist. Glaube aber, dass das ein frommer Wunsch ist.
    Ich wünsche ein schönes Wochenende

    1. Immerhin: da hatte ich Glück, nachdem ich zur Zeit ja nur einmal tägliche Nachrichten gucke.
      Aber die Hype um diesen Titel war ja trotzdem nicht zu übersehen, denn allen Tageszeitungen war das auch einen Beitrag wert.

      Und ja, ich bin auch als Angehöriger der Beatles-Fraktion ganz bei Dir in dem Punkt, dass man nicht alles machen muss, nur weil es technisch jetzt möglich ist.
      Und deshalb hätte man George und John auch besser liegen lassen, statt ihnen nun zu einem Leben als Zombie zu verhelfen…

  2. Ich glaube Du siehts das ein wenig zu streng…
    Es ist doch schön heute nach zieh Jahren ein Lied zu hören, die damals noch durch Lennon geschrieben wurde aber nie aufs Band gesichert war. Heute dank der technik kann man das nachholen… ob mit Erfolg m das wird sich sehen. Mir zb. gefällt das Lied überhaupt nicht. Ich höre allerdings The Beatles und staune wie weit sind wir angekommen.
    Nein! Mir stört die Nutzung der Technik überhaupt nicht. Ob in der Fotografie oder im eigenen Auto . Ich Nutze Sie und freue mich manche Sachen nicht machen zu müssen

    Viele Grüße czoczo

    1. Ja, mag sein, dass ich das bezogen auf die Musik ein wenig eng sehe. und mag auch sein, dass ich als altes Beatles-Fan dabei eher das „Echte“ bevorzuge, im Falle dieses Titels also lieber das originale Lennon-Demo-Band hören würde als das, was am Mischpult daraus gemacht wurde.

      Und dennoch – bei allem Verständnis für den Wunsch nach perfekten Bildern und Ähnlichem geht mir der Gedanke zu weit, das KI-gestütze Manipulationen mehr und mehr zum Teil unsers Alltags werden und – im Falle von Deep-Fakes – auch mehr und mehr zur Gefahr, wenn es um den Wahrheitsgehalt von Informationen geht…

  3. Zuerst habe ich es im Auto gehört. Das erste was mir durch den Kopf ging „da werden die Kassen klingeln und die Charts gestürmt“. Ich bin weder Fraktion „Beatles“ noch der „Stones“, dazu habe ich von den Beatles zu wenig mitbekommen (ich war 4, als die sich auflösten und 14 als John Lennon erschossen wurde). Die Stones waren nie mein Geschmack.
    Aber ich bin der Meinung, man hätte es in der Schublade lassen sollen. Nettes Liedchen, mehr aber auch nicht. Und es wird mal wieder kommerziell ausgeschlachtet

    1. Nettes Liedchen und unter einigen Beatlesfans wohl tatsächlich eine Sensation.

      Wobei (ich schrieb es oben schon) ich mich tatsächlich eher abgstossen davon fühle und es allemal besser gefunden hätte, wenn man John Lennons Demo-Tape ohne jegliche Verfälschung oder Nachbearbeitung veröffentlicht hätte…

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