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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Lasst uns auf die Reise gehn

Guten Tag Euch allen!

Kennt Ihr das?
Dieses unbestimmte Gefühl von Fernweh, von reisen wollen, ja vielleicht sogar von „für immer woanders sein“ – oder gar: „Hauptsache weg“ ?

Ja, vermutlich kennt Ihr das – denn es ist etwas, was wohl jeder mal empfindet:
Sehnsucht nach fremden Ländern, nach unbekannten (oder gut bekannten?) Orten, nach Meer, nach Bergen oder Städten, wo alles schöner, besser, angenehmer ist als da, wo man selbst gerade ist.

Warnemünde im Herbst 2018

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Nicht, dass ich diesen Drang momentan besonders ausgeprägt hätte oder mir aktuell was fehlen würde, da wo ich bin (und wo ich eigentlich auch ganz zufrieden bin) – aber hin und wieder blitzt der Gedanke dann doch mal auf, meist gar nicht mal in Form irgendendwelcher konkreter Ziele, sondern eher so allgemein und manchmal auch in Form einer Überlegung, ganz und gar weg zu wollen und ganz woanders nochmal neu anfangen zu können.
Weit ab von dem, was unseren Alltag so prägt, weg von dem alltäglichen kleinklein und diesen Dummschwätzern, Brunnnenvergiftern, Ignoranten und politischen Spaltern, wie man sie alle Tage in den Nachrichten sieht und wie sie in den letzten Tagen ja auch in diesem Blog Thema waren.
Obwohl mir natürlich auch klar ist, dass ein solcher Sehnsuchtsort auf unserem Planeten kaum zu finden ist.
Probleme gibt es schliesslich überall, wo man hinguckt.
Und das nicht zu knapp, sondern oft noch stärker und ganz anders (und schlimmer!) ausgeprägt, als hier bei uns.

-_-_-_-

Wobei mir dann meist auch ein altes Lied des Liedermacher-Duos Witthüser & Westrupp wieder einfällt, das diesen Traum auf eine ganz eigene Art formuliert:

Witthüser & Westrup – Lasst uns auf die Reise gehn

Ein Lied, das ich vermutlich in ähnlichen Zusammenhängen zum ersten Mal gehört habe, wie das, worüber ich neulich schon mal schrieb, seinerzeit wohl dargeboten von einem Bielefelder Liedermacher, der gerne solche Texte gecovert hat. Und ohne zu wissen, woher es ursprünglich kam und in welchen Zusammenhang es gemeint war, als es Anfang der Siebziger erstmals veröffentlicht wurde auf einem Album namens „Trips&Träume“ , bei dem der Name wohl auch Programm war….

(Übrigens ein Themenbereich – Drogen – mit dem ich nie wirklich ernsthaft in Kontakt war,
nachdem mein erster und einziger Versuch in dieser Richtung buchstäblich in die Hose ging).

Dennoch – und ohne diesen Hintergrund des Liedes und seines Textes von Thomas Rother zu kennen oder zu werten – ist und bleibt es für mich seither ein freundlicher Begleiter voller Sehnsucht nach etwas, was ich gar nicht mal klar benennen könnte, ausser vielleicht mit der Überlegung, die ich oben schon kurz umrissen habe.

………

Lasst uns auf die Reise gehn,
Andres Land zu suchen,
Wo die Heimat der schreitenden Reiher ist,
Der Sommer den Tieren im Maule liegt
Und wo es keine Tränen gibt,
In andere Landschaft.

………

Lasst uns auf die Reise gehn,
Andres Land zu suchen,
Wo Mauern und Zäune schon abgebaut sind,
Wo Wiesen ohne Kettenspur grünen
Und wo man ohne Theater stirbt,
In anderer Landschaft.

(c) Bernd Witthüser/Thomas Rother 1970
Songtexte.com

Und das scheint wohl auch der Grund zu sein, warum es gerade wieder mal hochkommt….


Habt alle einen schönen Tag voller angenehmer (Tag-)Träume und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der den Kopf jetzt mal wieder aus den Wolken nimmt und sich gleich ganz pragmatisch auf den einzigen Trip begeben wird, der heute auf jeden Fall noch fällig ist:
Zum Einkauf in den Hofladen B-)


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Ein schönes Land?

Guten Tag Euch allen!

Es ist schon ziemlich lange her, dass ich dieses Lied zum ersten Mal gehört habe:

Zupfgeigenhansel – Ein schönes Land

Entweder schon Mitte der 70er Jahre, als Zupfgeigenhansel mehrfach in Bielefeld im ebenso legendären wie damals stets stark verrauchten „Bunker“ aufgetreten ist – oder irgendwann in den 80ern, wo sie gelegentlich noch bei Open-Air-Konzerten uns -Festivals der Friedensbewegung oder der Anti-AKW-Bewegung im näheren und weiteren Umfeld der Stadt am Teutoburger Wald auftauchten, nicht mehr als Top-Act, sondern als eine von vielen ähnlichen Gruppen, die dort immer wieder zu Gast waren, Ougenweide etwa, Liederjan oder den Bots, die damals gerade ihren grossen Höhenflug erlebten….

Mit Musik und teils sehr politisch angehauchten Texten, mit denen man wohl heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken würde, ausser vielleicht so alten, nostalgisch angehauchten und links-grün versifften Öko-Spinnern wie mich.

Zupfgeigenhansel Mitte der 80er: Thomas Fritz & Erich Schmeckenbecker

Und so hat es mich auch merkwürdig seltsam berührt, als ausgerechnet dieser Titel vor ein paar Tagen in einer der Zufallsplaylists aufgetaucht ist, die meist statt des nervigen Radioprogrammes den Soundtrack meiner Tage darstellen .

Weil da keiner dazwischenquatscht und ich ständig nicht mit „aktuellen“ Nachrichten und Meldungen traktiert werden möchte, die ich schon Morgens bei meiner Zeitungslektüre gelesen habe oder die ohnehin abends noch mal im Lokalfernsehen oder der Tagesschau auftauchen.

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„Seltsam berührt“ schon deshalb, weil mir dieses Lied gleich aus mehreren Gründen seinerzeit schon sehr nahe gegangen ist mit seiner mir aus ganz anderen Zusammenhängen bekannten Melodie und der von Dieter Süverkrüpp 1963 geschriebenen Adaption des alten Textes von „Kein schöner Land“, die nun keine abendliche Idylle mehr beschrieb, sondern eine Antwort auf die moderne Welt Anfang der 60er Jahre zu geben versuchte.
Eine Welt mit allgegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Konflikten und auch den ersten deutlich sichtbaren Anzeichen der gigantischen Umweltverschmutzung aufgrund des grenzenlosen Industriewachstumes und des Raubbaus an Ressourcen und Intakter Natur, der damit zusammen hing.

Womit Süverkrüpp – zu seiner Zeit gelegentlich als grosser Spinner abgetan – zwar Anfang der 60er ziemlich ungehört blieb, einige Jahre später aber dennoch den Nerv der Zeit traf, als Zupfgeigenhansel das Lied als seinen Beitrag zur aufkeimenden Öko-Bewegung zum ersten Mal spielte… und zugegeben auch meinen Nerv.

Denn natürlich war das auch in den 70ern und 80ern noch hochaktuell, insbesondere nach dem Nato-Doppelbeschluss und angesichts von der inzwischen viel deutlicher sichtbaren Naturzerstörung mit verdreckten Flüssen und sterbenden Wäldern und der Gefahr, die von den zu der Zeit noch wie Pilze aus dem Boden spriessenden Atomkraftwerksbauten in unserem eigenen Land ausging…

Allerdings ist es (und war es) auch keines der lauten Kampflieder, die in diesem Zusammenhang häufig gab, sondern „nur“ auf stille Art mahnend, vor allem in seiner letzten Strophe:

Nun haltet hier auf Erden wacht
Daß sie nicht fällt in Todesnacht
Sie zu behüten in ihrer Güten, seid wohl bedacht
Sie zu behüten in ihrer Güten, seid wohl bedacht

Text (c) Dieter Süverkrüpp 1963; Quelle Lyrictranslate

Was zusammen mit der aus dem Volkslied übernommenen Melodie wohl auch dazu geführt hat, dass es schon damals gerne überhört wurde und wohl auch vielen als „nicht zeitgemäss“ galt.
Ich erinnere mich jedenfalls noch sehr gut, dass die Bots auf einem Friedensfestival zwischen wortgewaltigen Reden und vielfältigen Musikbeiträgen für ihr „Was sollen wir trinken“ wesentlich mehr Beifall (und sogar frenetischen Jubel) einheimsen konnten als Zupfgeigenhansel für dieses doch sehr leise klingende Lied, das im allgemeinen Palaver (bei Volksfeststimmung, Rotwein, Bier und Flammkuchen) solcher Veranstaltungen meist unterging.

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Aber egal, zumal der inzwischen schon sechzig Jahre alte Text ja auch heute noch passt, wenn man ihn mal über die Demonstrationen von „Fridays for Future“oder auch über die Aktionen der „letzten Generation“ legt – die auf ihre Art genau das selbe Anliegen benennen (und damit Süverkrüpp’s Auforderung weiter verfolgen, wie es schon in seinem Text geschrieben steht ). Wenn auch gelegentlich so, dass sie damit nicht unerheblich anecken.
Aber was bleibt ihnen denn übrig, wenn nichts anderes funktioniert?

Und trotzdem werden sie genauso überhört wie Süverkrüpp, Zupfgeigenhansel und die vielen anderen, die ähnliches gesungen oder geäussert (und dagegen mit deutlich sanfteren Methoden protestiert)haben.
Überhört, ja sogar gescholten von denen, die es angeht.
Also nicht nur von der Politik, sondern von uns allen, denen die Aufforderung ja ebenfalls gilt, „die Wacht zu halten und unsere Erde zu behüten“ . Denn wir (oder zumindest: viel zu viele von uns) leben auch heute (trotz des inzwischen deutlich fühlbaren Klimawandels) immer noch so unbeschwert, als ob es kein Morgen gäbe und sind nur in den wenigsten Fällen bereit, daraus endlich mal Konsequenzen zu ziehen. Die würden ja Einschränkungen und Unbequemlichkeiten bedeuten, die keiner von uns will, die wir aber gnaden- und rücksichtslos den Generationen unserer Kinder und Enkel zumuten…

Dabei ist es doch schon fünf nach zwölf und kaum noch was zu retten, wenn nicht bald entscheidendes passiert.
Und dann ist wohl endgültig Essig mit dem „schönen Land“ , wenn kaum noch was davon übrig bleibt…


Habt dennoch alle einen ruhigen Nachmittag und einen angenehmen Rest der Woche – und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

gerade auf einer kleinen musikalischen Entdeckungsreise in die Vergangenheit…


-1049-