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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Was nicht gebraucht wird….

Manchmal, sehr selten, kommt es vor, dass ich noch etwas mit der Hand schreibe.
Zum Einen meiner Sauklaue wegen, die ausser mir sowieso fast keiner lesen kann, zum anderen aber auch mangels Gelegenheit – denn wozu habe ich einen Computer mit Textverarbeitung und eingescannte Unterschriften, die ich ggf.  unter einen Brief setzen könnte?
Wenn ich überhaupt mal was schreibe, was noch in die normale Briefpost geht und in Papierform vonnöten ist….

Aber hin und wieder kommt das doch noch vor – wie etwa bei dne berühmt-berüchtigten Anamnesebögen, die man beim Arzt samt Klemmbrett und Kugelschreiber ausgehändigt bekommt, um darauf wichtige Fragen schon einmal vorab zu beantworten. – oder mitbekommen hat, wenn man sich den Termin persönlich in der Praxis geholt hat – wie ich am Freitag für meine heutige Knochendichtemessung.

Dumm halt nur, wenn zu so einer seltenen Gelegenheit keiner der Kugelschreiber mehr funktioniert, die seit ewigen Zeiten sorgsam gehütet in einem Becher auf meinen Schreibtisch stehen.
Die sind nämlich inzwischen allesamt eingetrocknet – und so hatte ich Glück, überhaupt noch zwei zu finden, die zusammen noch soviel Tinte hergaben, dass ich den Berg Papier notdürftig bearbeiten konnte, den der Radiologe gerne vorab haben mochte.
Sonst hätte ich die Blätter wohl einscannen müssen und mühselig mit Hilfe einer Bildbearbeitung ausfüllen dürfen.

Was ohnehin vielleicht der bessere Weg gewesen wäre angesichts der wenig ansprechenden optischen Ergebnisse, die im Zusammenspiel von schreibunwilligen Kulis und meiner eingerosteten Handschrift entstanden sind….

Aber gut – es ist nun mal so, wie es ist:
Was nicht gebraucht wird, rostet ein…. oder vertrocknet.


Euch allen eine schönen Tag.
Bleibt gesund und bleibt behütet!

Wir lesen uns


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Gedanken zum 9. November

Vorbemerkung:

Diesen  Beitrag hatte vor genau einem Jahr schon einmal in meinem alten Blog veröffentlicht, finde ihn aber immer noch so aktuell, dass ich ihn gerne nochmal in grösserem Rahmen zugänglich machen möchte:


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Anderthalb Kilometer

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Eigentlich wirkt die Szene recht friedlich, die uns dieses Bild zeigt:Ein Park, Bäume, ein See und dahinter, und – wie gerahmt in der Mitte des Bildes, knapp einen Kilometer entfernt – ein Stadtpanorama samt Kirchturm. Also durchaus ein Ort, an dem man gerne verweilt – und es fehlt eigentlich nur noch die Bank, auf der man Platz nehmen und die Aussicht geniessen könnte….

Doch ganz so idyllisch wie es scheinen mag ist der Ort nicht, an dem wir uns befinden:
Denn der See vor uns ist der Schwedt-See, mitten in Brandenburg und eine knappe Autostunde von Berlin entfernt gelegen – und das Städtchen heisst heute Fürstenberg an der Havel und war fast sieben Jahre lang einer der Orte eines der grössten Verbrechen der Menschheitsgeschichte und damit ein Ziel der Deportationen, die heute vor genau 82 Jahren in der Hauptstadt ihren Anfang nahmen – in der Reichskristallnacht am 9. November 1938

Damals hiess dieser Ort noch Ravensbrück* – genau wie das KZ, vor dessen Krematorium wir gerade stehen.Wir müssten uns nur umdrehen und ein paar Schritte gehen, dann würden wir die Verbrennungsöfen sehen – heute eine Gedenkstätte an die Verbrechen, die nicht nur an diesem Ort geschehen sind. Steril, kalt – aber immer noch ein Ort des Grauens….
Wie überhaupt das ganze Gelände des KZs mit seinen noch bestehenden Gebäuden, die aus jeder Pore das Unrecht atmen, welches damals geschehen ist.Um so unverständlicher für mich, dass damals niemand etwas gewusst haben will.
Denn die anderthalb Kilometer Distanz zwischen dem Kirchturm der Stadtkirche und dem Krematorium sind ja keine weite Entfernung.
Die Häftlinge werden also die Glocken über den See hinweg gehört haben – und umgekehrt dürfte bei Ostwind auch der Rauch und der Gestank des Krematoriums seinen Weg bis in die Stadt gefunden haben.
Wohlmöglich auch die Schreie der gequälten Menschen.
Bekanntlich tragen ja auch menschliche Stimmen weit über das Wasser…
Und gesehen haben wird man den Rauch in der Stadt sicher genau so gut, wie man vom Krematorium aus den Kirchturm erkennen kann.

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Genau diese Diskrepanz ist es, die mich immer wieder beschäftigt, wenn ich einen der Orte des Holocaust besuche – egal, ob er Ravensbrück, Auschwitz, Buchenwald, Neuengamme oder Bergen-Belsen heisst:
Denn die Verbrechen dieser dunklen Zeit geschahen ja unter den Augen der Menschen, ganz in ihrer Nähe:
Angefangen mit den Diskriminierungen der Juden in den frühen Jahren der Hitlerzeit, über die brennenden Synagogen und zerstörten Geschäfte der Kristallnacht bis hin zu den Deportationen und der Vernichtung der späteren Jahre…..
All das will niemand bemerkt haben?

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Und wie ist es heute?
Würde so etwas unbemerkt bleiben in einer Gesellschaft, in der es wieder hoffähig wird, gegen Flüchtlinge, Ausländer, ja sogar Juden zu hetzten? In der nach einem kurzen Aufschrei schnell wieder zur Tagesordnung übergegangen wird wie nach dem Amoklauf in Halle vor einen Jahr?
Oder würde bewusst weg geguckt, weil es niemanden interessiert?
Genau so wenig wie das Elend der Obdachlosen und der Flüchtlinge oder der alltägliche Rassismus, der immer mehr Raum gewinnt?

Nein, dass darf nicht passieren!

Deshalb ist es auch so wichtig, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen und an das zu erinnern, was damals passiert ist:
Mit Stolpersteinen sowieso, wie diese in unserem Stadtteil, mit Denkmälern und Gedenkstätten wie in Ravensbrück,aber auch indem man immer wieder darüber schreibt oder spricht.
Selbst wenn inzwischen ein grosser Teil unserer Bevölkerung denkt, das sei Vergangenheit und die solle man endlich ruhen lassen….

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*)Mehr Bilder aus Ravensbrück in unserem Bilderblog
(Das Passwort dazu gibt es gerne auf Anfrage ->klick<-)


Dennoch:
Euch allen einen schönen Tag und einen guten Wochenstart.
Bleib gesund und bleibt behütet

Wir lesen uns


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