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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Jahresringe

Ihr habt sicher schon bemerkt, dass ein gelegentlich wiederkehrender Themenkreis in diesem Blog sich um das Altern dreht  – um mein eigenes Altern im speziellen (ich bin nun fast 62 und möchte gerne nochmal mindestens die Hälfte drauf legen), aber auch um Altersthemen im allgemeineren Sinne und alles, was damit zusammen hängen könnte.

Nachlassende Fähigkeiten und zunehmende Einschränkungen sollen dabei weniger mein Thema sein als neu entdeckte Lebensqualitäten (es wird nicht schlechter, es wird anders!) und mögliche Perspektiven, die sich aus der zunehmenden Zahl an Lebensjahren ergeben werden. Denn es geht mir ja nicht darum zu jammern und verlorene Fähigkeiten zu betrauern, sondern ich möchte einen Blick in die Zukunft zu wagen bis hin – und das wird wohl auch irgendwann zum Thema werden – zum unausweichlichen Ende. Wozu natürlich auch manchmal ein Blick zurück in die Vergangenheit gehören muss, alleine, um Vergleiche ziehen zu können.
Aber keine Sorge, all zu ernst will ich das Thema trotzdem nicht angehen, wenn auch eine gewisse Nachdenklichkeit zum vorherrschenden Tonfall in diesem Themenkreis werden könnte. Aber wir werden sehen, wie sich das entwickelt….

Der Übersicht halber und damit das Kind einen Namen bekommt, habe ich mir überlegt, alle Beiträge zu diesem Thema in einer gesonderten Kategorie zusammenzufassen:

„Jahresringe“

 – einem Begriff also, der eigentlich eher mit Bäumen als mit Menschen in Verbindung gebracht wird.
Ich denke aber, dass er trotzdem ganz treffend ist, denn Bäume und Menschen haben bei genauerer Betrachtung doch einige Gemeinsamkeiten:
In der Jugend wiegen wir Menschen uns wie junge Bäume im Wind, entwickeln uns je nach Umgebung mehr oder weniger gut, können uns anpassen und wachsen – manche gerade, manche etwas krumm. Wir schlagen Wurzeln, die um so stärker werden, je mehr wir an Alter zunehmen, werden stärker und können auch Stürmen besser trotzen. Unsere Rinde wird dicker und runzeliger und manche tragen Narben davon wie von Blitzen, die einschlagen (oder Borstenviechern, dies sich an uns reiben).

Bäume können blühen oder sie können auch verkümmern, wenn sie nicht ausreichend bekommen, was sie brauchen:
Licht, Wasser(Nahrung), Zuwendung (ja, auch Bäume brauchen Zuwendung – denkt mal an die Insekten, die sie bestäuben) und Schutz.
Manche von Ihnen stehen lieber alleine, andere gedeihen am Besten in der Gemeinschaft des Waldes, geschützt von vielen Artgenossen und dem sozialen Ökosystem, in dem sie leben.
Und alle Bäume sind  Individuen wie wir,  jeder mit eigener Geschichte und eigenem Leben – wobei  uns allen eines gemeinsam ist:
Ja älter wir werden, um so schlechter kann man uns umpflanzen und um so unbeweglicher beharren wir auf unserem Standort. Auch darin sind wir Bäumen ähnlich – wie auch in manchen  Fällen, dass  wir mit den Jahren an Umfang zunehmen und und unsere Jahresringe auch optisch sichtbar werden.
Beispielsweise bei mir, der ich auch die Jahresringe auf der Hüfte trage.
Das passt also durchaus, zumindest, was meine Person betrifft und ich hoffe sehr, dass ich noch einige Jahre(sringe) sammeln kann, ohne das mein Umfang noch weiter zunimmt.

Doch das werden wir sehen – wie alles, was die Zukunft bringt.
Sicher ist nur, dass wir alle dabei im Lauf der Zeit Blätter und Äste verlieren werden und unser Rinde immer knorriger wird, aber auch das ist normal im Alter und kein Grund, sich damit nicht zu beschäftigen. Im Gegenteil, denn es ist Teil unseres Lebens und für mich damit aus Teil dieses Blogs.
Womit wir wieder beim Thema wären und bei dem, was sich daraus ergeben wird.
(Aber das hatte ich ja oben schon geschrieben)


In diesem Sinne:
Haltet Euch aufrecht, bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns
Der Wilhelm


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- 12 Bemerkungen zu “Jahresringe

  1. Ha, eine Metapher, die ich auch gern und oft verwende, insbesondere in Geburtstagsglückwunschkarten. Aus den von dir genannten Gründen. Während aber du gern nochmals die Hälfte an Jahren drauflegen möchtest, denke ich: Boah, gemäß Lebenserwartung muss ich noch über 30 Jahre in diesem Theater mitspielen. 🙈 OMG. In dieser verrückten Welt?! (Ist das jetzt der Hauptunterschied zwischen einem depressiven und einem nicht-depressiven Menschen? 🤔)

    Nun denn: Auf möglichst gute neue Jahresringe!

    1. Na, täusch Dich mal nicht über meine Stimmungslage :-)
      Dein Gedanke kommt mir nämlich auch durchaus bekannt vor.

      Allerdings erlaube ich mir nicht, ihn allzu oft zu denken und schon gar nicht, ihn beim Schreiben zum Grundmotiv zu machen.

      Dabei kommt mir vielleicht zugute, dass ich Jahrzehnte lang mit alten Menschen gearbeitet habe.
      Manche davon schon kurz nach der Berentung mit ihrem Schicksal hadernd und sich selbst das Leben schwer machend, obwohl körperlich wirklich gut zurecht : „Da wird nichts mehr besser!“ – andere trotz schwerster Erkrankung und düsterer Perspektive immer mit Zuversicht in die Welt blickend und jede kleine Freude geniessend.

      Und diese zweite Gruppe ist mir im Lauf der Zeit zum Vorbild geworden.
      Um so mehr, als ich erkannt habe, dass man diese Einstellung zum Leben auch lernen kann, indem man sich in jeder Situation fragt, was das positive daran ist und wie sich das nutzen lässt.

      1. Das freut mich sehr für dich, ändert aber nichts an meiner These, dass bei Chronisch-Depressiven, müssten sie sich die zweite Gruppe als Vorbild nehmen, eher sehr viel Stress als Zuversicht entstehen würde. Mich zum Beispiel setzen solche Ansätze extrem unter Druck, obwohl ich natürlich theoretisch weiß, dass sie „gesünder“ sind. Oder vielleicht nicht ’obwohl’, sondern ’gerade weil’ ich es weiß. Aber sowas lässt sich eben nicht auf Knopfdruck erreichen.

        Ich bin dennoch irgendwie gespannt auf Älterwerden (wobei dieses Älterwerden ja schon immer da war).

        1. dass bei Chronisch-Depressiven, müssten sie sich die zweite Gruppe als Vorbild nehmen, eher sehr viel Stress als Zuversicht entstehen würde.

          Das kann ich aus Sicht eines langjährig Depressiven nur betätigen, weil es mir selbst gut bekannt ist.
          Aber diese Lebensphase (weit mehr als nur eine Midlife-Crisis) liegt zum Glück weit hinter mir und macht in der Rückschau auch einen Teil meines Einstellungswechsels zum Leben aus, obschon es immer wieder mal (auch heute) durchaus Gründe gäbe, wieder in Depressionen zu verfallen…
          Aber ich will nicht zurück in den Zustand der hoffnungslosen Lähmung, in dem ich seinerzeit war!
          Also bleibt mir nichts anders als das, was ich jetzt mache:
          Eine positive Sichtweise pflegen, um es nicht wieder soweit kommen zu lassen.

  2. Mir fällt schwer etwas dazu zu sagen. Am liebsten möchte ich diese Gedanken verdrängen, aber es nützt ja nichts. Besser wäre es gelassenen Auges ins Alter hineinzutreten und es annehmen – mit allem was dazugehört. Aber das ist verdammt schwer.

  3. Leider spielen in meinem Leben nachlassende Fähigkeiten eine große Rolle. Damit hatte ich bei Eintritt in das Rentenalter nicht gerechnet.
    Ich lebe gerne weiterhin auf dieser Welt allerdings ist das was ich eigentlich geplant hatte nicht mehr möglich.
    Auf jeden Fall ist es gut, dass ich das vorher nicht gewusst habe. Planung und Wünsche was ich machen möchte sind wichtig ich plane weiterhin und gebe auch die Hoffnung nicht auf dass manches wieder besser wird.

    Ob das berechtigt ist? keine Ahnung…

    1. Hoffnung ist das wohl das Stichwort.
      Denn Hoffnung ist der Motor zum weitermachen, auch wenn die Dinge sich anders entwickeln, als ich mir das vorgestellt habe.
      Wobei ich für mich gar nicht mal hoffe, dass meine körperlichen Befindlichkeiten sich wesentlich in Richtung positiv ändern könnten oder ich verlorene Fähigkeiten zurück bekomme, sondern eher darauf, dass es auch mit diesen Handycaps vieles gibt, was trotzdem geht.
      Ich muss es halt nur entdecken und mich trauen es auszuprobieren. ( Wie mit der Rollergeschichte)
      Und damit ist auch der Wunsch da, zu gucken, was hinter der nächsten Strassenbiegung auf mich wartet.

  4. Alt werden kann schon verflixt deprimierend sein. Allein körperlich – man befindet sich nun im „knackigen Alter“ – mal knackt es hier, mal knackt es da. ;-) Im Vergleich zu jüngeren Jahren bewegt man sich nur mehr im Schneckentempo. Das Gedächtnis lässt nach, die Augen sowieso, zum Glück funktioniert das Gehör noch tadellos…
    Aber alt werden bringt auch Gutes mit sich. Man ist abgeklärter, wird gelassener, schätzt jeden guten und schönen Augenblick höher und wertvoller ein, denn es könnte ja durchaus sein, dass man solche Wonne zum letzten Mal erfahren durfte. Die Achtsamkeit sich und damit auch anderen gegenüber wächst und gewinnt an Wert.
    Ich wünsche mir auch noch etliche schöne Jahre, in denen ich hoffentlich weiterhin altern darf wie ein guter Wein. Aber ich bin auch darauf gefasst, dass es nun jederzeit mit dem irdischen Dasein vorbei sein kann. Nun denn – ich habe innerlich und äußerlich ausgemistet und bin gefasst auf das, was da kommen mag.

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